Quelle: Stuttgarter Zeitung, 09.05.2005 <<... zurück
Wie Neubauten den historischen Stadtkern allmählig verdrängen
 
Ein Rundgang durch Weil der Stadts Ortsmitte - Stadtmühle an der Würm durch neue Wohnhäuser ersetzt - Gegenbeispiel sind gelungene Sanierungen
WEIL DER STADT. Nicht wenige Touristen haben sie schon bewundert. Doch längst haben sich mehr und mehr Neubauten in die Weil der Städter Altstadt geschlichen. Das Bürgerforum kämpft aktiv für den Erhalt des Ortskerns und will die Altstadt unter Ensembleschutz stellen.

Von Petra Mostbacher-Dix

„ Als ich vor 30 Jahren herzog, gab es noch ein paar Hopfenstangen. Heute gibt es kein Zeugnis mehr dafür, dass Hopfen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt war." Ein Blatt nimmt Heribert Sautter nicht vor den Mund, als er am Samstag zu den markanten Ecken Weil der Stadts führt. Das Ende 2004 gegründete Bürgerforum hat den Kunsthistoriker engagiert, eine Stadtbegehung unter dem Motto „Aktiv für den Erhalt der Altstadt" zu leiten. Damit trifft man offensichtlich die Befindlichkeit der Weil der Städter, die sich nun erstmals an einem Stadtentwicklungskonzept beteiligen können.
    Während bis in die siebziger Jahre Neubauten in der Stadt noch gemächlich und angepasst Einzug in das bis dahin einheitliche Straßenbild hielten, machten sich seit Ende der 80er Jahre besonders in
der Renninger Vorstadt überdimen-sionierte Gebäude breit. Auf dem beschilderten Stadtrundgang läuft man etwa Gefahr, in der Plangasse den Wehrturm zu verpassen - wegen eines Neubaus ist gerade noch das Fähnchen im Wind zu entdecken. „Ein Tourist würde hier gleich abbiegen, weil er dahinter nichts Historisches mehr vermuten würde", so Sautter.
Wie man es nicht machen sollte, demonstrierte Sautter am Viehmarktplatz. „Der städtebauliche Super-GAU! Es gibt keinerlei Anbindung mehr an die Altstadt, dafür Tiefgaragenromantik. Eine gut erhaltene Stadtmauer aus der Stauferzeit, die man beim Ausbaggern fand, zerstörte man." Weitere Steine, an denen sich Sautter und das Bürgerforum stoßen, sind die Wohnhäuser, die nun die alte Stadtmühle an der Würm ersetzt haben und die einstige Stadtmauer unterbrechen. Das Bauprojekt wurde genehmigt, obwohl es von der Landesdenkmalpflege eine gegenteilige Empfehlung gab.
    Dass man modern leben kann, ohne das Altstadtbild zu belasten, zeigte der zweite Teil der Tour. In „Alte Schuppen - schöner wohnen" ging es in einstige „Abrisshäuser", wie etwa den Fahrradladen Mangold, die von ihren Besitzern liebevoll saniert wurden
.
Auch Ralf Feulner, einer der Vorstände des Bürgerforums, machte 1999 aus einem um 1750 gebauten Ackerbürgerhaus ein Schatzkästchen mit massivem Holzboden und Designerarmaturen. „Die Kosten waren einem normalen Neubau vergleichbar", so Feulner.
Beraten würden auch die Mitarbeiter der Denkmalpflege im Regierungspräsidium gern - wenn sich der Weil der Städter Gemeinderat für einen Gesamtanlagenschutz entschiede. Da die einzelnen Häuser des Ortes kunsthistorisch weniger bedeutsam sind, würde nur ein Schutz des Ensembles helfen, das jetzige Gesicht der Altstadt zu wahren. Bisher wurden im Land von den Denkmalpflegern 120 Städte als gesamtanlagenwürdig eingestuft, 60 sind bereits geschützt. „Die Entscheidung liegt bei der Stadt, wir können nichts vorschreiben", betonte Martin Hahn. Allerdings, so der Landesdenkmalpfleger, könne Weil der Stadt aus dieser Liste schnell herausfallen. „Wenn immer mehr neue Bauten in die Altstadt gesetzt werden, dann ist nichts mehr als Ensemble schützenswert." „Weil der Stadt ist für seine Fasnet und Altstadt bekannt", sagt Stadtsprecher Bernd Aupperle. „Jetzt steht der Stadtentwicklungsplan an, wir müssen uns überlegen, wie wichtig uns die Identität unserer Stadt ist."